Es existieren über die damaligen Ereignisse eine ganze Reihe von Schilderungen, die aber wohl alle mehr oder weniger voneinander abgeschrieben wurden. In dem Artikel „Albert Camus und Garry Davis“ in der Zeitschrift „Weltgewissen“ Nr. 28 ab Seite 28 (PDF) findet sich eine davon. Da hat sich auch die Mär eingeschlichen, Garry Davis sei aus deutscher Gefangenschaft geflohen. Der Autor beruft sich auch auf eine Seite von Mögle-Stadel, der seinen Text wiederum von Garry Davis übersetzt hatte. Ob diese Informationslinie als verlässlich angesehen werden kann, mag bezweifelt werden.
Ja, die Aktion wurde damals sicherlich konspirativ geplant. Es dürften nur wenige eingeweiht gewesen sein, sonst wäre die Sache vorher aufgeflogen und man hätte von den Verdächtigen niemanden auf die Zuschauertribüne gelassen. Planer und Regisseur der „Operation Oran“ war Robert Soulage genannt Sarrazac und Garry Davis als Hauptdarsteller vorgesehen, der allerdings sehr schnell ergriffen und rausgeschmissen wurde. Die Aktion soll eine halbe Stunde gedauert haben, in der verschiedene Leute nacheinander Texte verlasen, bevor sie ebenfalls den Saal verlassen mussten. In dem Film sieht man Robert Soulage beim Vortrag. Laut einem deutschen Manuskript aus dem Jahr 1949 hatte er folgendes verkündet:
Zitat
Im Namen der Völker, die hier nicht vertreten sind, unterbreche ich sie. Meine Worte werden für sie zweifellos ohne Bedeutung sein. Und doch kann unser gemeinschaftliches Bedürfnis nach einer Weltordnung nicht länger vernachlässigt werden. Wir, die Völker, wir wollen den Frieden, den allein eine Weltregierung zu geben vermag. Die souveränen Staaten, die sie hier vertreten, entzweien uns, die Völker dieser Welt, und führen uns in den Abgrund des Krieges. Ich appelliere an sie, damit aufzuhören, uns weiter in der Illusion ihrer politischen Autorität zu halten. Ich appelliere an sie, unverzüglich eine verfassungsgebende Weltversammlung einzuberufen, die eine Standarte aufrichten soll, unter der sich alle Menschen vereinigen können, die Standarte der Souveränität einer einzigen Regierung für diese eine Welt. Wenn sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sind, treten sie ab! Die Versammlung der Völker der Welt wird sich dann erheben, um diese Regierung zu errichten. Denn nichts weniger als das kann uns helfen.
Dieser Aufruf soll von Albert Camus aufgesetzt worden sein. Nachdem das alles vorbei war, konnten die Delegierten weiter über ihre souveränen, nationalen Interessen debattieren. Zeitgleich fand aber in einem nahen Café ein Pressekonferenz statt, in der Journalisten über die Aktion aufgeklärt wurden. Das Medienecho war beachtlich und führte für kurze Zeit zum bekannten Weltbürger-Strohfeuer mit zigtausenden begeisterten Anhängern. Auf jeden Fall war das eine gelungen PR-Aktion. Ob der obige Aufruf heute zünden würde, ist wohl eher fraglich. Man könnte aus dem damaligen Ereignis trotzdem eine interessante Weltbürger-Tradition gestalten:
An jedem 19. November bekommen die Vereinten Nationen die Leviten gelesen und konkrete Forderungen aufgetischt.
Richard