Wer ist Weltbürger?

#1 von Mondialist , 28.05.2016 21:59

Wenn man sich irgendwo als Weltbürger outet, wird man meistens gefragt, was das überhaupt bedeutet und was den Weltbürger vom normalen Bürger unterscheidet. Der „Kosmopolit“ ist ja schon von alters her kein Unbekannter. Sehr gutes Buch dazu: Weltbürger – Geschichte einer Menschheitssehnsucht – von Peter Coulmas, erschienen 1990 bei Rowohlt, ISBN 3-489-00885-4. Es gibt unterschiedliche Erklärungen für Weltbürger, hier ist meine Sicht.

Als Einwohner in einem Dorf bin ich Gemeindebürger. So bin ich auch Bürger in dem Landkreis und dem Bundesland, in dem ich lebe. Hier ist meine Heimat. Ich gehöre also nicht zu den Kosmopoliten, deren Heimat den ganzen Globus umspannt, was überhaupt Unsinn ist. Darüber hinaus bin ich Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland. Und da Deutschland zur Europäischen Union gehört, bin ich ebenso in diesem Verbund ein Bürger mit Rechten und Pflichten. Meine weltbürgerliche Einstellung ist mit allen Ebenen vereinbar.

Weltbürgertum: Das ist zunächst einmal rein fiktiv, denn es gibt noch keine verbindlichen globalpolitische Struktur, in der man Bürger sein könnte, so wie das übernational in der EU möglich ist. Also eine philosophische Angelegenheit. Aber ich habe eine solche globale Gemeinschaft bereits im Kopf, auch wenn das noch ein Fernziel ist. Es ist meine Wille, dass so etwas irgendwann kommt, ja kommen muss. Ich habe auch schon einigermaßen präzise Vorstellungen davon und kann sie begründen. Das macht für mich den Weltbürger aus.

Eine-Welt-Idealist zu sein, ist für mich zu dünn, genau so wenig, wie ein Globetrotter automatisch Weltbürger ist. Es gehört zumindest die Vorstellung einer übernationalen politischen Weltordnung dazu, welche Kriege unmöglich macht und möglichst allen Menschen auf der Erde ein gutes Leben in Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit garantiert. Ohne ein stabiles, global akzeptiertes Sicherungssystem sind nämlich alle die schönen und guten Weltverbesserungen widrigen Umständen schutzlos ausgeliefert und am Ende für die Katz.

Richard


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Weltbürger, Weltdemokrat, Weltrepublikaner, Weltföderalist, ...

#2 von Markus Rabanus ( gelöscht ) , 27.04.2017 17:37

Auch ein schönes Thema. Und eigentlich wert, dass es eigenes Hauptthema wäre, wenn vielleicht das Hauptthema "Hoffnungen" in "Ziele" untergebracht werden könnte.

Also Weltbürger sind ..., wie Richard schon schrieb und das hat Geschichte und macht begrifflich zufrieden, wenn auch Weltrepublik wäre.

Trotz Geschichtlichkeit des Begriffs "Weltbürger" wäre es allerdings auch vertretbar, wenn sich Menschen "Weltbürger" nennen, ohne sich zur Weltrepublik zu bekennen, denn Weltbürgerlichkeit setzt nicht per se einen Weltstaat voraus und kommt vielen damit aus, sich nicht bloß als Nationalstaatsbürger, sondern auch als Bürger der Welt aufzufassen - oder wie in der Albert zitierten Weltbürgerlichkeitsumfrage in vielen Staaten, wo sich beträchtliche Bevölkerungsteile eher bloß andersortige Heimat vorstellen können.
Überdies ist die Bürgerlichkeit unabhängig vom System, denn Bürger gibt es immerhin nicht nur in Demokratien.
Überdies darf sich (m.E.) jeder auf die Menschenrechtscharta v. 10. Dez. 1948 berufen. Kein Mensch ist rechtlos sein, auch in Fällen von Staatenlosigkeit.

Wenn es nicht genügt, dass der eigene Staat zu den demokratischen Staaten gehört. sondern alle Staaten demokratisch sein müssten, so könnte man sich als "Weltdemokraten" bezeichnen, womit noch immer nicht gesagt ist, dass es ein Weltrepublik sein müsste.

So wird es logisch, dass es anstelle von Weltbürger, Weltdemokrat am ehesten als "Weltrepublikaner" heißen könnte, weil sich in solcher Selbstbezeichung alles vereint.

Nöö, denn dann geht es immerhin noch um das Wie, ob föderal oder zentralstaatlich und was sonst noch einfallen mag, also "Weltföderalist" usw., wenn es dann in die Nähe kommt, dann schleppen sich die ideologischen Programme der Parteien in die Begriffe mit.

Nun noch zum Unterschied zwischen Status und Bekenntnis. So wäre wiederum der "Weltbürger" (spätestens) im Weltstaat der allgemeine Status und die anderen Begriffe Bekenntnis.

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ps: Es war ganz lustig, als Frau Merkel vor wenigen Tagen auf dem Frauengipfel in Berlin auf die Frage hin, ob sie Feministin sei, arg verunsichert meinte: "Ich möchte mich nicht mit einem Titel schmücken, den ich nicht habe."
Na ja, sie hat eben noch nicht über alles nachgedacht, sonst wäre ihr bewusst, dass Feminist weniger Titel und Status ist, sondern eher Bekenntnis. Weltbank-Präsidentin Christine musste lachen, ich auch, aber nicht schlimm, denn ich hatte schon den Eindruck, dass Merkel lernte, dass es zumindest weltweit besehen schon noch einiges an Feminismus gut tun kann.
Ein bisschen öfter mit Lagarde - und vielleicht wird auch sie noch bekennende Weltbürgerin oder gar noch Weltrepublikanerin.

Markus Rabanus

   

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